Zugegeben, es kommt selten vor dass eine staatliche Institution, in diesem Fall eine Polizeibehörde, das Internet im allgemeinen und Social Media im besonderen in meinen kritischen Augen sinnvoll nutzt. Die Polizei in Hannover hat es trotz anfänglicher Schwierigkeiten geschafft mich zu beeindrucken. Aber eins nach dem anderen.
Im Februar diesen Jahres erreichte mich die Nachricht über einen Artikel der BILD, in dem mit einer gewohnt reisserischen Headline verkündet wurde die Polizei Hannover sei jetzt bei Facebook zu finden. Schon die zitierte Aussage von Polizeisprecher Stefan Wittke „dass man nicht auf den Gefällt-mir-Knopf klicken könne, da ansonsten die Beiträge kommentierbar wären und das nicht gewünscht sei“ machte mich etwas stutzig. Nach kurzer Suche fand ich dann besagtes Profil auch und konnte mich vor Lachen kaum noch halten. Dort war einfach alles falsch was man überhaupt falsch manchen kann.
Man hatte ein Privatprofil gewählt, was erstens ein Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook ist und zweitens für eine öffentlichkeitswirksame Präsentation völlig ungeeignet ist. Diesem Privatprofil konnte man nicht mal eine Freundschaftsanfrage senden, denn die Präsenz auf Facebook sollte laut offizieller Aussage rein dem Verteilen von Pressemitteilungen dienen, „man könne ja das Profil teilen“ ließ Wittke verlauten.
Meine Erheiterung schwenkte langsam in resignierendes Unverständnis um und ich widmete mich wieder meiner Arbeit, bald war der „fail“ des Facebook Auftrittes der Polizei Hannover wieder vergessen, Social Media ist einfach zu schnelllebig um sich länger mit der technischen Unkenntnis einer Polizeidirektion zu befassen. Bis vor etwa einer Woche auf einmal ein Fahndungsaufruf nach einer vermissten Jugendlichen in meinen News auftauchte…
Einer meiner Facebook-Freunde hatte ein Foto geteilt, das sich mit dazugehörigem Text als verblüffend offiziell aussehender Fahndungsaufruf entpuppte. Ein Klick auf das Foto zeigte mir den im Newsstream meiner Pinnwand verborgenen Teil des dazugehörigen Textes der zu meiner Überraschung von der Polizei Hannover stammte. Ich hatte ganz ehrlich damit gerechnet, dass das Projekt bereits längst wieder eingestellt wurde.
Zu meiner Überraschung gelangte ich auf eine Facebook-Seite (Fanpage) der Polizeidirektion Hannover mit fast 20.000 Fans (die Grenze wurde inzwischen überschritten). Hut ab! Man hatte also nicht aufgegeben, sondern dazu gelernt.
Auf der Facebook-Seite geht es, wie man das von einer Polizeibehörde sicher erwarten würde, recht geordnet zu. Über einen zusätzlichen Tab in der Navigation wird eindeutig erklärt dass jegliche offizielle Kommunikation, wie Zeugenhinweise, Notrufe, etc. nicht über die Facebook-Seite abgewickelt werden kann und soll.
Ein weiterer Tab mit FAQs klärt in einem freundlichen, lockeren Sprachgebrauch fernab des Amtsdeutschs die Hintergründe, Ziele und Wünsche der Polizei Hannover was den Auftritt auf Facebook angeht. Auch auf die moralischen bedenken eines „gefällt mir“ im Zusammenhang mit einer Straftat wird eingegangen und dass das Teilen von Beiträgen definitiv erwünscht ist. Über die technisch nicht ganz korrekte Aussage Smartphones würden die Funktion des Teilens generell nicht unterstützen kann man ob der sonst sehr gelungenen und durchdachten Kommunikation hinwegsehen.
Unter Veranstaltungen findet man Termine zu Fahrradcodier-Aktionen, was in meinen Augen auch sehr sinnvoll ist. Hier würde ich mir allerdings Hinweise zu weiteren Beratungsangeboten wünschen wie Einbruchsprävention, Verkehrsfrüherziehung o.ä., die wird es in Hannover doch sicher auch geben. Auch Videos finden sich bei der hannoveranischen Polizei. Neben dem Spot „Wir brauchen Dich“, der sich an den interessierten Nachwuchs richtet und für eine berufliche Laufbahn im Polizeidienst wirbt und das gleich vier mal (warum auch immer), gibt es derzeit noch ein Überwachungsvideo zu einem Zeugenaufruf.
Die Fotos und die Pinnwand bieten dann neben einigen Aufrufen an die Fans zur Mithilfe bei aktuellen Ermittlungen den Beweis dass es sich bei den Gesetzeshütern aus Hannover auch (nur) um Menschen handelt. Hier wird z.B. das Projekt „Hellfeld“ vorgestellt, ein Fotoprojekt mit der Fachhochschule Hannover, in dessen Rahmen 12 Fotografie-Studenten vier Monate lang die Arbeit der Polizei hinter den Kulissen dokumentieren durften. Oder es wird die neue offizielle Fußbekleidung für Vollzugsbeamtinnen, der PVP, vorgestellt… Termingerecht zum 1. April.
Der Kommunikationsstil liegt je nach Thema zwischen sehr sachlich und freundlich locker, immer angemessen und mit Bedacht gewählt. Auf sinnvolle Rückfragen wird eingegangen und falls nötig auch moderiert. Vor allem bei der Moderation nehme ich das Fingerspitzengefühl und die sachliche Erklärung warum moderiert wurde als sehr positiv wahr. Vor allem wird so der gerne vorschnell gemachte Vorwurf der Zensur verhindert (zumindest konnte ich nichts dergleichen finden).
Was die Polizei Hannover mit ihrer Facebook-Seite geschaffen hat ist meiner Meinung nach ein gute und sinnvolle Ergänzung der Polizeiarbeit. Sowieso öffentliche Fahndungs- und Zeugenaufrufe auf einem reichweitenstarken Medium wie Facebook zu präsentieren schafft de facto eine deutlich höhere Wahrnehmung als bisher. Die professionelle aber trotzdem menschliche Selbstdarstellung lässt auch über kleine Schwierigkeiten mit der Technik hinwegsehen und hilf definitiv das häufig etwas verstaubte bis angekratzte Image der Polizei zu verbessern. Bleibt zu hoffen dass auch Polizeibehörden anderer Städte sich an der Arbeit der Kollegen aus Hannover ein Beispiel nehmen und nicht nur den Nachwuchs auf Facebook suchen wie z.B. die Dortmunder Kollegen.