Konsumenten entwickeln sich zu privaten „Buying Centern“ und nur wenige Firmen haben es bisher kapiert…
„Media Markt vs. Internet“. Die neueste Kampagne von Media Markt zeigt eines der wenigen Beispiele für Firmen, die verstanden haben, wie die neue Medienkommunikation erfolgen muss! Und obwohl der Titel ein „gegen“ beinhaltet, ist es dennoch ein „miteinander“! Während idalo.de ein paar Einkäufe weniger verzeichnen wird, dürfte die Klickrate der Plattform durch diese Kampagne einen push erfahren, den die Vergleichsbörse so wahrscheinlich selbst nie hätte realisieren können. Auf der anderen Seite dreht „Media Markt den Spieß einfach mal um und unterbietet Internetpreise“. Was hat Media Markt veranlasst, eine derartige Aktion ins Leben zu rufen? Die Kunden!
Bedarf ermitteln, Angebote einholen, entscheiden…
Auf diese Weise kaufen 2/3 der Menschen ab 16(!) Jahren heute ein. Wer sich einen Fernseher kaufen will, informiert sich z.B. bei einem Media Markt Berater (um die Einleitung nochmal aufzugreifen…) über technische Standards, Bildschirmgrößen, Bildwiedergabeklassen (LCD, etc.) oder die Kompatibilität zu anderen Geräten (wie z.B. DVD oder Laptop). Meist gibt es ein paar Vergleichsgeräte in der jeweiligen Filiale. Mit einem nüchternen „Dankeschön und ich muss mir das nochmal überlegen…“ stiefelt der potentielle Kunde dann davon. Kaum zu Hause beginnt das „Buying Center“ mit seiner Arbeit. Die Notizen über gezeigte Fernseher-Modelle werden in Google eingegeben. Die Verweise auf diverse Vergleichsplattformen (wie z.B. idalo.de) werden angeklickt und die günstigsten Preise ermittelt. Häufig findet der Suchende auf diese Weise auch Modelle verschiedener Hersteller, die Media Markt nicht anbietet oder die bisher nicht bekannt waren. Was nun? Anbieter und Modell werden erneut bei Google eingegeben und bei ebay gecheckt. Vielleicht gibt es das gewünschte Angebot ja gebraucht und in gutem Zustand. Spätestens ebay bietet nun erste Rezensionen oder Nutzerbewertungen zu Gerät und/oder Verkäufer an. Der Suchende wird aufmerksam. Der nächste Gedankenschluss erfolgt promt. „So was muss es doch für Neugeräte auch geben!“ Für die ausgewählten Geräte werden im nächsten Schritt die Hersteller Webseiten aufgerufen und die Suche nach Testberichten, Bewertungen, Rezensionen oder Kommentaren nimmt seinen Lauf. Schon nach kurzer Zeit landet der Käufer schließlich bei Facebook, Twitter oder anderen Social Media Kanälen, auf denen die Kommunikation häufig vertieft oder verbreitet wird. Nachdem das abendliche „Champions-League“ Spiel (während dem die Informationssammlung erfolgte) beendet ist und die Moderatoren ihr Schlusswort zum Spiel gegeben haben, ist der „Buying Prozess“ fast abgeschlossen. Es fehlt noch die endgültige Bestellung. Die letzte Frage lautet dann: „Online oder Offline kaufen?“
Wer offline verkaufen will, muss Online besser sein als die Online-Shops!
Das ist doch eine Widerspruch in sich, werden viele denken. Ist es das? Ich denke nicht! Denn die Online-Shop Betreiber haben ihre Prioritäten sehr häufig beschränkt. Das Schlagwort heißt in diesem Fall SEO (searchengineoptimization). Natürlich muss die Webseite kundenfreundlich sein und damit „idiotensicher bedienbar“. Aber sie muss eben auch gefunden werden. Dabei gibt es (fast) keine Alternative zur Google-Platzierung. Aus diesem Grund wird der größte Teil des Online Budgets eben in SEO gesteckt. Darin steckt allerdings auch die Chance der Offlineanbieter. Heute bleibt ein potentieller Käufer nicht im Online-Shop hängen. Er informiert sich sowohl über den Shopanbieter als auch über die gewünschten Produkte. Im Rahmen dieser Informationssammlung stolpert jeder über Social Media. Indirekt und unbewusst überdenkt die kaufende Person ihre Entscheidung, wenn die Transparenz, der Service und die Authentizität des Offline-Anbieters am vergleichsweise größten ist. Das hat Media Markt erkannt (zumindest teilweise) und sorgt mit der neuen Kampagne für absolute Preistransparenz. Natürlich gibt es sehr viele andere Möglichkeiten, Kunden durch Transparenz zu überzeugen. Eine detaillierte Übersicht über das Personal (mit Bild und Kontaktdaten, evtl. auch kurzen Miniprofilen) mit Direktlinks zu den Kanälen (skype, Twitter, o.ä.) kann wahre Wunder bewirken.
Bei dem derzeitigen Hype der um Social Media gemacht wird, darf man die eigene Webseite laut Allensbach Studie (91% der Nutzer gehen auf die Unternehmenswebseite) auf keinen Fall vergessen. Dort gilt es auf Interaktivität, bequeme Nutzeroberflächen (Frontends) und kurze Wege zu achten.
Footprints…
Jedes Buying Center hinterlässt aber auch Spuren im world wide web. Und das Internet vergisst so gut wie nichts. Im Umkehrschluss können Firmen, die sich so nah wie möglich an die kaufenden Menschen begeben, auch sehr viel über diese erfahren. Denn bei all der Informationsbeschaffung hinterlassen Konsumenten ihre Fußspuren. Diese Fußspuren können Firmen, die sich auf Interaktivität der eigenen Seiten, Social Media und auch Emailmarketing einlassen, hervorragen verfolgen. Denn: Die privaten Buying Center versuchen häufig nicht mal ansatzweise ihre Spuren zu verwischen. Häufig sogar absichtlich nicht! Je besser die Unternehmen ihre Zielgruppen kennen, desto zielgerichteter werden Informationen platziert. Der Vorteil für beide Seiten liegt dabei fast schon auf der Hand: Die Verringerung der Informationsflut.
Je besser sich Unternehmen also auf die privaten Buying Center einstellen, desto mehr profitiert die Allgemeinheit davon. Zu hochtragend ausgedrückt? Das glaube ich nicht. Denn je mehr Privatpersonen und Firmen an ihrer Transparenz arbeiten, je besser die Profile in der vernetzten Welt dargestellt und zur Verfügung gestellt werden, desto weniger Streuverlust an Information entsteht. Und Streuverlust ist die größte Ursache für den derzeitigen Overflow an Datenaustausch. Hohe Transparenz (von beiden Seiten) ermöglicht eine Win–Win-Situation für Privatmenschen und Unternehmen gleichermaßen. Und das Beste daran. Jeder kann seine Grenze individuell so setzen wie er es möchte und für richtig hält. Die technischen Voraussetzungen und Mittel stehen jedem zur Verfügung. Entfolgen funktioniert mit einem Mausklick, „Gefällt mir nicht mehr“ genauso. Einen Newsletter bestelle ich mit einem Häkchen (oder indem ich ein Häkchen entferne) im Handumdrehen wieder ab. Und Werbeblocker bietet jeder Browser als Standard.
Viel Spaß beim evolutionierten Shoppen,
Euer Manuel Hiemer
Was auch interessant zu beobachten ist, ist die Tatsache dass neben vielen großen oder sogar internationalen Unternehmen mit Werbebudgets in Millionenhöhe, die ganz kleinen, meist jungen lokalen Unternehmen (das Restaurant um die Ecke, der kleine Trend-Modeladen mit eigenem Label, die Videothek zwei Straßen weiter usw.) Social Media als Werbeform sofort angenommen haben. Und die meisten machen das wirklich gut im Rahmen ihrer sehr begrenzten Budgets und personellen Möglichkeiten. Der Mittelstand dagegen zeigt sich weiterhin sehr verhalten wenn es darum geht zu bloggen, eine Facebook-Seite zu starten, zu twittern oder noch „exotischere“ Netzwerke wie Formspring, Blip.fm oder „Location based Services“ wie Foursquare und Gowalla zu nutzen.
Ich höre häufig das Argument „die Umstellung der Werbeaktivitäten auf den Social Media wäre nicht kostendeckend“…
1) Es geht nicht um eine „Umstellung“, sondern um eine „Erweiterung“!
Die Werbeformen sollten für einen maximalen Erfolg vernetzt werden, siehe Mediamarkt.
2) Wer etwas ernten will, muss erst einmal etwas sähen! Und je mehr Felder bestellt werden, desto größer die Ernte. Um es mal ganz grob vereinfacht auszudrücken.
Natürlich muss investiert werden, wie bei jeder Werbeform, aber mit einem guten Konzept ist diese Investition durchaus kostendeckend. Häufig reicht für den Anfang eine Schulung von zwei bis drei Mitarbeitern völlig aus (diese Angebote gibt bereits seit einiger Zeit!), durch eine leichte Aufgabenumverteilung lässt sich mit bestehendem Personal schon viel erreichen.
3) Warum machen es „die Anderen“ denn dann, wenn es „rausgeschmissenes Geld“ sein soll???
Mein Fazit: Man darf über Werbung vom Mediamarkt denken was man will, aus persönlicher Sicht finde ich sie unterirdisch, aus der Sicht des Werbestrategen aber ist sie sehr professionell auf eine klar definierte Zielgruppe zugeschnitten und erreicht diese auch sehr effektiv. Man darf also gespannt sein ob sich auch ein paar mehr Unternehmen trauen auf den Zug der durch Social Media erweiterten vernetzten Werbewelt aufzuspringen.
Hallo Roland,
guter Beitrag.
Klaus Eck, Social Media Experte aus München, hat sich im Anschluss an deinen Beitrag auch in seinem Blog dem Thema gewidmet. Hier der Link: http://goo.gl/6szOl
Er stimmt Dir teilweise zu, kritisiert aber auch sehr sachlich, was das WWF-Team falsch gemacht hat. Dazu gibt er schöne Erläuterungen, wie man es besser hätte machen können.
Lesenswert!